Umwelt

Global Ideas | DW Deutsche Welle

veröffentlicht am 21.01.2021

Clear Water

Philtino leidet unter den jahrelangen Dürren in Südafrika. Shivday in Indien lebt in einer Gegend, die immer häufiger überschwemmt wird. Was bedeutet der Mangel an sauberem Wasser für die Kinder und ihre Umwelt?

Rain

Water

Mit seinen 12 Jahren kennt Philtino Ties nichts als Dürre. Regen gibt es in seiner Heimat in der Karoo, einer Halbwüste in Südafrika, nur noch selten. Dämme, Flüsse und Brunnen sind ausgetrocknet.

Tausende Kilometer entfernt muss die 13-jährige Shivday Kumari im nordindischen Bundesstaat Bihar immer wieder mit ansehen, wie ihr Dorf überflutet wird. Monsunzeit bedeutet mittlerweile fast immer auch "Land unter".

Ein Grund sowohl für die Dürre in der Karoo als auch für die Überschwemmungen in Bihar ist der Klimawandel. Er hat auch Auswirkungen auf die Gesundheit von Philtino und Shivday sowie Millionen anderer Menschen.

“Wir sind gerade dabei, in all die natürlichen Prozesse unseres Systems einzugreifen. Damit beeinflussen wir auch die Rahmenbedingungen für die Gesundheit und das Wohlbefinden der Menschen”, sagt Samuel Myers, Mediziner und Direktor der Planetary Health Alliance in Boston. Er befasst sich mit dem Klimawandel und dessen Auswirkungen auf die Gesundheit der Menschen.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) prognostiziert, dass zwischen 2030 und 2050 jedes Jahr zusätzlich rund 250.000 Menschen an den Folgen des Klimawandels sterben werden. Ursachen dafür sind unter anderem Unterernährung, Malaria und Hitzestress.

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Der Klimawandel kann sich ganz unterschiedlich auf die menschliche Gesundheit auswirken.

Hohe Temperaturen können zu Hitzschlag, chronischer Müdigkeit und Wahrnehmungsstörungen führen.

Menschen erleiden Traumata und haben psychische Probleme als Folge von Klimakatastrophen, die oft Migration bedingen.

Durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe gelangen Schadstoffe in die Luft. Außerdem verlängern steigende Temperaturen die Pollensaison. Beides kann Allergien auslösen, verschlimmern und die Lungenfunktion beeinträchtigen.

Hitze und Luftverschmutzung können auch zu Herzinfarkt, Schlaganfall und Herz-Kreislauf-Versagen führen.

Wenn Überschwemmungen die Süßwasservorräte verschmutzen, können sich Durchfallerkrankungen wie zum Beispiel Cholera leicht ausbreiten.

Wasserknappheit kann auch ein Grund für Durchfallerkrankungen sein, wenn Menschen gezwungen sind, schmutziges Wasser zu trinken oder sich damit zu waschen.

Zu wenig Wasser zu trinken, führt zu Dehydrierung. Nierenprobleme können die Folge sein.

Dehydrierung ist auch mit Gelenkschmerzen verbunden und kann zu Arthritis führen.

Gelenk- und Muskelbeschwerden sowie Kopfschmerzen, Fieber und Erbrechen sind Symptome des von Mücken übertragenen Dengue-Fiebers. Die Tropenkrankheit hat nach Angaben der WHO in den vergangenen 50 Jahren um das Dreißigfache zugenommen.

Weil es in kühleren Regionen der Erde wärmer wird, breiten sich Tiere wie Zecken und Moskitos aus, die Krankheiten übertragen.

Wenn Wasser krank macht

Überschwemmungen und Dürren sind zwei gegensätzliche Folgen des Klimawandels. Dennoch wirken sich beide auf die Versorgung mit sauberem Wasser aus.

Bereits jetzt haben 2,2 Milliarden Menschen keinen Zugang zu sauberem Wasser. Drei Milliarden Menschen können sich zu Hause nicht die Hände waschen.

Im Jahr 2017 starben jeden Tag mehr als 1300 Kinder unter fünf Jahren an Durchfallerkrankungen, die auf unzureichende Wasserversorgung, Abwasserentsorgung und Hygiene zurückzuführen sind. Das belegen Zahlen des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen, UNICEF. Hygienemaßnahmen wie Händewaschen helfen, um sich vor dem neuartigen Corona-Virus zu schützen. Doch ohne Zugang zu ausreichend Wasser ist das nicht möglich.

Und die Situation wird sich laut UNICEF weiter verschlimmern, wenn der Klimawandel nicht eingedämmt wird.

Babhnaha

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Shivdays Dorf Babhnaha liegt zwischen den Flüssen Koshi und Kamla im Distrikt Darbhanga im nordindischen Bundesstaat Bihar.

In der Monsunzeit von Juni bis September überflutet regelmäßig Hochwasser die Straßen um das Dorf und verwandelt den Ort in eine Insel.

Früher regnete es regelmäßig. Wenn es Überschwemmungen gab, kamen sie langsam. Wenn das Wasser über die Flussufer trat, versickerte es nach und nach.

Heute hingegen gibt es heftige Regenfälle in nur wenigen Tagen, die Sturzfluten verursachen. In den ersten drei Juniwochen dieses Jahres verzeichnete Bihar fast doppelt so hohe Niederschläge wie im Jahresdurchschnitt.

Shivday's life

Ich denke, dieses Szenario wird sich in nur wenigen Jahren verschärfen", sagt Banku Bihari Sarkar, zuständig für Notfälle bei UNICEF Indien.

Shivday lebt mit ihrer Mutter, ihrer Tante und ihrem Cousin in einem einfachen Haus. Die Familie ist auf das Geld des Vaters und des Onkels angewiesen, die in der Stadt arbeiten. Auf ihre Kartoffel- und Weizenernte können sie sich nicht mehr verlassen. Oft werden die Pflanzen durch Überschwemmungen vernichtet.

Etwa 84 Prozent der Menschen im Distrikt Darbhanga leben von der Landwirtschaft. Wenn der Regen kommt, haben viele von ihnen nicht mehr genug zu essen. Das macht sie anfälliger für Infektionen.

Kinder sind besonders stark betroffen. Der von 2015 bis 2016 erhobene National Family Health Survey in Indien ergab: Nur 7,4 Prozent der Kinder im Alter von sechs bis 23 Monaten erhielten im ländlichen Bihar eine "angemessene" Ernährung. Die Hälfte der Kinder unter fünf Jahren war zu klein für ihr Alter. Aufgrund der chronischen Unterernährung sind sie nicht richtig gewachsen.

Floodwaters

Die Überschwemmungen verunreinigen auch die Trinkwasservorräte. Zahlen des regionalen Gesundheitszentrums - des Primary Healthcare Centre (PHC) - in der Nähe des Dorfes Babhnaha zeigen: Die Durchfallerkrankungen haben sich in den Monaten nach dem Monsun fast verdoppelt. Auch Shivday ist krank geworden, weil sie schmutziges Wasser getrunken hat.

Shivdays Interview

Floodwaters in India

India Flood

In Babhnaha gibt es weder Ärzte noch Krankenschwestern. Aber es gibt ein medizinisches Zentrum. Es wird von Munni Devi, einer Gesundheitshelferin der Gemeinde, geleitet.

Durch die Überschwemmungen war das Zentrum in diesem Jahr - wie schon in den Jahren zuvor - nicht erreichbar. Das macht es für Devi schwierig, monsunbedingte Krankheiten zu behandeln.

"Die Kinder leiden an Husten, Erkältungen und Durchfall. Die meisten von ihnen sind schwach und angeschlagen", sagt Devi.

Street Checkup in India

Devi muss ihre Patienten auf der Straße oder bei ihnen zu Hause mit den wenigen Medikamenten behandeln, die sie zur Hand hat. An die Vorräte in ihrer Klinik kommt sie wegen des Wassers nicht heran.

Jeden Tag stellt sie sich wieder den gleichen Herausforderungen und merkt, wie sich die Umwelt verändert.

"Jedes Jahr scheint es schlimmer zu werden mit dem Hochwasser. Wir fragen uns, wie viel schlimmer es in Zukunft noch werden wird."

West Victoria

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Philtino lebt auf der fast 400 Hektar großen Mardeck-Farm in der Nähe von Victoria West, einem Städtchen in der Karoo-Region am Nordkap Südafrikas.

Die Karoo ist größer als Deutschland und bedeutet in der alten Khoisan-Sprache "Land des Durstes." Früher brachte der südafrikanische Sommer Regen in die Region und das Land blühte auf.

Doch Teile der Karoo sind seit mehr als fünf Jahren trocken. Einigen Menschen stehen täglich nur fünf Liter Wasser zur Verfügung - zum Trinken, Kochen und Waschen. Das lebensnotwendige Minimum liegt laut WHO bei 7,5 bis 15 Litern. Zum Vergleich: Ein Mensch in Deutschland verbraucht durchschnittlich mehr als 100 Liter Wasser am Tag.

Philitinos life

Der Hof, auf dem Philtino mit dem Großvater, seiner Mutter und zwei Brüdern lebt, wirft nicht mehr genug ab, um die Familie zu ernähren. Sein Vater wohnt und arbeitet daher in einer anderen Stadt und schickt Geld nach Hause.

Früher, als es noch regelmäßig regnete, hat Philtinos Großvater Mais, Zwiebeln und Luzerne angebaut. Außerdem hielt er 280 Tiere. Jetzt hat er nur noch 48 Schafe.

Die Brunnen sind ausgetrocknet und die Familie ist auf Wasserlieferungen von Hilfsorganisationen und der Gemeinde angewiesen. Manchmal bleibt ihnen nichts anderes übrig, als Wasser aus dem nahe gelegenen Fluss zu holen. Das hat jedoch seinen Preis.

Was mich krank macht, ist das Wasser aus dem Fluss", sagt Philtino. "Davon bekommen wir Magenprobleme, selbst wenn wir es abkochen."

Across the Karoo

In der Karoo zeigt sich fast überall das gleiche Bild. Die Felder sind ausgetrocknet, nichts wächst mehr. Das Vieh hat kaum Futter.

Viele Menschen leben in großer Armut mit wenig Aussicht, eine Arbeit zu finden. Einige von ihnen suchen auf Mülldeponien nach Essbarem. Mittlerweile gibt es sogar Menschen, die aus purer Not Hunde und Katzen essen, erzählt Corene Conradie von der südafrikanischen NGO für Katastrophenhilfe, Gift of the Givers.

"Es sind Haustiere, die von den Menschen gegessen werden, weil sie an Hunger leiden und nichts anderes haben."

Phumla Seane, a nurse

Unterernährung macht Menschen anfälliger für Krankheiten. Phumla Seane ist Krankenschwester in Klipplaat, einer weiteren von Dürre betroffenen Stadt in der Karoo. Sie versteht den Zusammenhang nur zu gut.

Interview with Phumla Seane, a nurse

Senkung der Emissionen und Anpassung an den Klimawandel

Es ist schwierig, exakte Vorhersagen über die Auswirkungen des Klimawandels zu treffen. Die WHO schätzt aber, dass allein durch die stärkere Hitzeeinwirkung zwischen 2030 und 2050 jährlich 38.000 ältere Menschen zusätzlich sterben werden. Doch die Emissionen einzudämmen - zum Beispiel durch erneuerbare Energien - würde sich positiv auf die menschliche Gesundheit auswirken und die Sterberate senken. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Studie des unabhängigen, internationalen Forschungsbündnisses Climate Impact Lab.

Trotzdem wird es der Studie zufolge künftig vor allem in ärmeren Ländern viel mehr klimabedingte Todesfälle geben. Dort fehlt es an Infrastruktur, zum Beispiel einer guten Gesundheitsversorgung oder an Geld für Anpassungsmaßnahmen. Diese Staaten sind am wenigsten für die weltweiten Emissionen in der Vergangenheit verantwortlich. Dennoch tragen die Hauptlast des Klimawandels.

Die Studie zeigt auch, wie bedeutsam die Anpassungsmaßnahmen in Ländern und Regionen sind, die bereits mit den Folgen der globalen Erderwärmung zu kämpfen haben. Auch in der Karoo und im Bihar sind solche Maßnahmen angelaufen - wenn auch in kleinem Rahmen.

Foodaid in Africa

Viele Familien in Victoria West und der Umgebung sind auf Wasser- und Nahrungsmittellieferungen der südafrikanischen NGO Gift of the Givers angewiesen.

Die Organisation bohrt auch Brunnen und installiert Sammel- und Reinigungssysteme für Regenwasser. Sie fördert Gemeinschaftsgärten und effiziente Bewässerungssysteme auf den Höfen, damit diese besser mit dem knappen Wasser haushalten können.

"Was passiert, wenn der Regen nicht kommt? Wir müssen reagieren und einen Plan machen, wie wir unsere Lebensweise anpassen, besonders in diesen kleinen Gemeinschaften", sagt Corene Conradie von Gift of the Givers.

UNICEF in Bihar

Und im indischen Bihar arbeitet UNICEF mit den lokalen Behörden und den Village Desaster Management Committees (VDMC) zusammen. Es handelt sich um einen von Freiwilligen geführten Katastrophenschutz, der den Gemeinden hilft, sich besser vor den Überschwemmungen zu schützen.

VDMC-Mitglied Dilip Kumar hat am Bau von Entwässerungskanälen mitgearbeitet. So konnte das stehende Wasser rasch aus dem Dorf abfließen. Auch die Ausbreitung der durch Moskitos übertragenen Krankheiten wurde somit gestoppt. Aber es passiert noch mehr.

Dilip, India

Blick in die Zukunft

Kinder und Jugendliche auf der ganzen Welt kämpfen für weitreichende Maßnahmen, um den Klimawandel einzudämmen. Doch ihre Zukunft bleibt ungewiss. Der jüngste Bericht der medizinischen Fachzeitschrift “The Lancet” trägt den Titel "Eine Zukunft für die Kinder dieser Welt." Er besagt, dass Erderwärmung, Umweltzerstörung und Ungleichheit die Gesundheit von Kindern sowie ihre Fähigkeit "zu überleben und zu gedeihen" beeinträchtigt.

Außerdem müssten die wohlhabenden Länder, die "die Zukunft der Kinder durch übermäßige Kohlendioxid-Emissionen bedrohen" mehr gegen den Klimawandel tun, um die Gesundheit von Kindern zu sichern.

Doch was wünschen sich Shivday und Philtino für die Zukunft?

Überschwemmungen in India

India Flood

Shivday weiß, die nächste Flut wird kommen. Ihre Wünsche sind einfach: Sie möchte, dass die Regierung bis dahin Häuser, Straßen und Toiletten baut. Und da sie nicht mehr in die Schule geht, möchte sie Schneiderin werden.

Warten auf Regen

Philtino dagegen wünscht sich nur Regen zu sehen.

Philitino, an interview

INHALTLICHE UND TECHNISCHE MITARBEIT

Autorinnen: Jennifer Collins, Inga Sieg

Redaktion: Anja Kimmig, Tamsin Walker

Adaption: Tabea Mergenthaler

Fotos, Videomaterial Indien: Catherine Davison

Fotos, Videomaterial Südafrika: Henner Frankenfeld

Schnitt: Friederike Rohrmann

Design: Angela Dehio, Olof Pock

Illustration: Anna Wills, Nora-Charlotte Tomm, Peter Schwendke

Technische Entwicklung: Olga Urusova

Leitung: Vanessa Fischer

Vielen Dank an Gift of the Givers, Südafrika und an Bihar SEWA Samiti und UNICEF, Indien